Einfach mal wild rechts abbiegen

#VOT – VicOnTour – Dänemark IV

Der Unterschied zwischen einem „Vanlife-Girl“ und einem normalen deutschen Reisenden ist ziemlich schnell erklärt: Wo der normale Deutsche einen Plan hat und diesem folgt, lässt sich ein Vanlife-Girl auch einfach mal treiben und folgt Eingebungen wie sie kommen. Die Schwierigkeit bei so einem gemischten Team kann dann schon mal darin bestehen, dem Plan etwas Würze durch Eingebungen zu verleihen. Zur Ehrenrettung von Mr. M. sei aber gleich mal gesagt: Er ist kein sturer Plan-Verfolger, was es mir dann schon leichter machte auch mal alten und lieb gewonnenen Gewohnheiten zu folgen.

Der Plan für diesen Tag sah jedenfalls vor erst mal die Gegenrichtung zu unserem kleinen Hafenstädtchen einzuschlagen. Zum Einen, weil da eigentlich noch ein Supermarkt rum geistern sollte und zum Anderen einfach um mal zu schauen was es da so gibt. Angepeilt war die nächste größere Ortschaft. Das Wetter war ziemlich durchwachsen aber immerhin noch trocken und eiiiiiiiigentlich sollte es ja auch erst gegen Nachmittag regnen. Soweit die Theorie.

Mr. Großohr hatte seine Aversion gegen das Geschirr noch nicht ganz aufgegeben aber schien allmählich seine ganz eigenen Rückschlüsse zu ziehen: Geschirr = Abenteuer. So war es nicht mehr so ganz Drama und sobald dieses ungeliebte Teil endlich sicher saß hopste da so ein Känguru-Verschnitt in Mini Richtung Wagen. Frei nach dem Motto: Wo bleibt ihr, nu macht ma hinne, ich will looohooos…

Das Team hatte sich schnell häuslich im Wagen eingerichtet, das Navi hatte heute quasi seinen freien Tag. Das wurde allerdings zunächst ein wenig skeptisch betrachtet, was ich wiederum erst mal nicht so ganz begriff. Es sollte sich noch zeigen, dass die Skepsis für eine Person in diesem Wagen durchaus berechtigt war und meine Person ins Grübeln brachte. Das allerdings ist eine ganz andere Geschichte.
Erst Mal ging es einfach mal los.

Das Thema Supermarkt war in Rekordzeit erledigt. Es stellte sich heraus, dass es kaum 2 Minuten mit dem Wagen bis dort hin waren. Ein süßer kleiner Spar. Wir ließen ihn erst Mal links… erm… nein, rechts liegen und entschieden uns für eine genauere Inspektion auf dem Rückweg.

So folgten wir also einfach der Landstraße und betrachteten die Landschaft. Ich hab nicht die geringste Ahnung was mich dazu bewog aber plötzlich meinte ich: „Bieg mal die nächste rechts ab, bitte.“
Mr. M.: „Weil?“
Mrs. V: „Einfach mal wild rechts abbiegen. Überraschungen folgen gewöhnlich keinem Plan. Darum.“

Ich bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass Mr. M., zumindest innerlich, mit den Augen rollte. Aber er tat mir den Gefallen.
…und prompt wurde es fast schon abenteuerlich.

Vor uns lag eine zwar geteerte aber schon Single-Track-Road-ähnliche Straße die dann auch noch nach ungefähr 500 Metern quasi im Nichts zu verschwinden schien. Wären da nicht so zwei verräterische kleine Schildchen auf der linken Seite gewesen. Rote Doppelpfeile auf weißem Grund. Aha… Der Weg machte einen Rechtsknick. Na, mal schauen wo uns das noch hinführen wird.
Mr. M. war mehr als skeptisch: „Bist du sicher, dass man hier noch fahren darf?“
Ich war mir mehr als sicher. Keine Verbotsschilder weit und breit und nur weil eine Straße nicht die gewohnten Ausmaße einer deutschen Straße hatte hieß das noch lange nicht, dass man sich auf einem privaten Weg befand.

Wir folgten also dem Knick und fuhren an mehreren schnuckeligen kleinen Wohnhäusern und ein paar Feldern und Wiesen vorbei. Vor uns erhob sich ein wunderschöner Wald in welchem die Straße einmündete. DAS war genau mein Ding! Den erstbesten Parkplatz enternd, einen total aufgeregten Hund an die Leine nehmend, ging es auf Erkundungstour durch einen Wald, der irgendwie so ganz anders wirkte, als das, was man von deutschen Wäldern kannte.

Keine geordneten Baumreihen einer Sorte und fast identischer Größe, Form und Dicke sowie ein quasi klinisch aufgeräumter Waldboden. Hier standen die verschiedensten Laubbäume und ein paar wenige Nadelgewächse kreuz und quer durcheinander. Unterschiedlich alt, groß, ausgeformt und Waldboden musste man stellenweise suchen. Dunkle Flecken voller Gesträuch und Geäst, blanke Flecken voller Moose, Pilze und Gräser neben gestürzten Baumstämmen. Die Luft roch würzig nach Holz, Nadeln, Erde und einem Hauch Salz.
Alles war erfüllt von einem ungewohnten Frieden aber auch voller Leben. Wind rauschte, Vögel zirpten und zeterten und was auch immer sich alles im Unterholz tummelte, es war auch nicht eben leise.
Wir folgten einer ganzen Weile einer Art Hohlweg in Richtung Ostsee und hatten keine Ahnung was uns noch erwarten sollte.

Plötzlich öffnete sich der Wald und links befand sich ein kleines eingezäuntes Grundstück mit zwei kleinen Gebäuden. Das größere war Reed-gedeckt und so wie es sich zwischen Bäumen und Sträuchern duckte hatte es irgendwie schon die Anmutung eines kleinen Hexenhäuschens. Gegenüber stand wohl sowas wie ein kleiner Schuppen.
…und wenn man dem Weg noch ein kleines Stückchen folgte, dann stand man unvermittelt auch wieder an der Ostsee, deren Wellen hier nur leise aber deutlich plätschernd ein harmonisches Hintergrundrauschen erzeugten.

Allein… die Idylle wurde dann „leider“ alsbald unterbrochen. Eine Senioren-Wandergruppe trudelte von der anderen Seite unserer kleinen Kreuzung ein und anscheinend hatte der Gruppen-Führer zu diesem Platz so einiges zu sagen. Leider in dänisch. So trollten wir uns wieder und setzten unsere Entdeckungstour entlang der Ostsee weiter fort.
…nur um keine 5 Meter weiter in einen Sintflut-artigen Regenschauer zu geraten. LATÜRNICH hatten wir Schirme dabei… erm… im Auto. *hust*

Wir flüchteten erst mal wieder in den dichten Wald, der doch erstaunlich viel Regen von uns fernhielt. Die Geräuschkulisse war einfach grandios und so setzten wir uns auf ein paar liegende Baumstämme und hörten Minuten lang einfach nur zu. Ich war schlicht gerade nur glücklich, zufrieden und fühlte mich wohl wie lange nicht mehr. In genau diesem Moment wusste ich wieder, was ich so lange vermisst hatte. So lange, dass ich es schon vergessen hatte. Diese Ruhe und Harmonie, diese Ausgeglichenheit, wie man sie eben nur in der Natur findet. …und je mehr man einfach nur den Blick schweifen lässt, desto mehr kleine Juwelen findet man. Kleine Schönheiten, die dem flüchtigen Betrachter verborgen bleiben und zu einem kleinen Geheimnis zwischen dir und dem Wald werden.

Schließlich wurde es uns dann doch ein wenig kalt und nass. Auch Dandy, so sehr er die Entdeckungsreise durch diesen Wald genossen hatte, war es allmählich einfach nur kalt. So machten wir uns also auf den Rückweg. Zwar mit ein wenig Bedauern aber vor allem auch mit einem Gefühl tiefer Gelassenheit und Ruhe. Wir brauchten keine größere Ortschaft mehr zu erkunden oder sonstige von Menschenhand erbauten Plätze. Das hier war sehr viel mehr als wir zu hoffen gewagt hätten, was uns heute noch begegnen könnte.

Wir fuhren wieder nach Hause. Ein kurzer Stopp beim kleinen Spar. Saure Gurken und einen dänischen Kuchen im Gepäck trudelten wir dann wieder an unserer Ferienhütte ein. Den Rest des Tages verbrachten wir bei gemütlichem Kaffe und Kuchen, ein bisschen lesen während draußen ein Sturm tobte, später dem Spaß Hotdogs zu basteln inkl. der famosen Sauerei, die geradezu dazu gehört und einem Spiele-Abend mit Kniffel.

Leben kann so einfach sein. Es gehört nicht viel dazu einfach zufrieden sein zu dürfen.

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